Wenn eine Mannschaft aufopferungsvoll kämpfend in 90 Minuten mal wieder nur 2 Torschüsse erreicht, dann hat natürlich der Gegner schuld, der immer die "Räume dicht macht" und die "Laufwege verstellt".
Vielleicht waren auch "mentale Erfolgsblockaden" einzelner Spieler die Ursache. - Die Ausreden von Trainern kann man nicht mehr hören. Auf Besserung darf man ganz sicher nicht hoffen.
Um zu siegen, muß man mehr Tore schießen als der Gegner. Wenn man denn wirklich siegen will ...
Im Auftreten vieler Mannschaften läßt sich kein Siegeswille erkennen, und man fragt sich, welches Ziel in 90 Minuten Spielzeit erreicht werden soll. Wenn sich Verein, Trainer und sogar Mannschaft über eine unverbindliche Spielweise mit feinsinnigen Fußballweisheiten einig sind, sollte dieses Idyll nicht gestört werden. Der Ball ist rund und daran wird sich nichts ändern.
Man muss nicht den Scharfsinn und die Empfindsamkeit unseres großen Philosophen Lichtenberg besitzen, um solches zu denken und zu sagen. Dieses Zitat ist für viele Lebenssituationen zutreffend und dennoch tun sich viele schwer, richtig danach zu handeln.
Erst wenn die Einsicht da ist, dass etwas falsch läuft, wird man an Korrekturen denken. Oft erst sehr spät. - Denken reicht aber nicht. Wenn es besser werden soll, dann muss mit klarer Zielbildung und Strategieentwicklung gehandelt werden.
Es ist wohl nicht zu leugnen, dass sich die Viererkette etabliert hat. Wer sie nicht spielt, gehört zu den Dummen oder den Zurückgebliebenen in den unteren Ligen.
Antagonistisch stehen sich Viererkette und klassische Spielweise mit Libero gegenüber: Intelligenz gegen Dummheit - ballorientiert gegen mannorientiert.
Aktuell wird es keiner wagen, die Viererkette in Frage zu stellen. Der Zeitgeist bestimmt die Dominanz der Viererkette, so dass eine Diskussion der Vor- und Nachteile nicht stattfindet.
Zunehmend verzichten ballbesitzorientierte Mannschaften nach der Balleroberung auf die sofortige Offensive. Auf der Suche nach Lücken versuchen sie stattdessen, den Ball abwartend in den eigenen Reihen kreisen zu lassen und dabei eine eigene Angriffsordnung herzustellen, die einen geplanten, eingeübten Angriff ermöglichen soll.
Die daraus resultierende höhere Ballbesitzquote suggeriert Überlegenheit, die bei genauem Hinsehen tatsächlich nicht gegeben ist. Wer sieht aber schon genau hin? Das Fantasieren über Ballbesitz und Überlegenheit überspielt fehlende oder mangelhafte Strategie und Taktik.
Man mag es nicht glauben, aber es gibt selbst im Topbereich des Profifussballs die Vorstellung, man könne Tore grundsätzlich verhindern. Man müsse nur richtig spielen.
Bei einem Sieg mit 4:3 dominiert in der Spielanalyse das Thema Gegentore. Die Entstehung von Gegentoren muß natürlich analysiert und aufgearbeitet werden, jedoch nicht mehr als selbst geschossene, wenn man sie denn geschossen hat ... Auf jeden Fall müssen sich Spieler nicht gebeugten Hauptes für drei Gegentore entschuldigen, wenn man 4:3 gewonnen hat.
Das übliche Coaching beschränkt sich im wesentlichen auf die Steigerung der mentalen und emotionalen Fähigkeiten. Eines der aktuellen Zauberwörter heißt Mentalcoaching und suggeriert sogar Lösungen für mannschaftssportliche Probleme:
„Spieler und Trainer wissen, dass die Entscheidung zum Sieg im Kopf fällt. Treffen zwei gleich starke Mannschaften aufeinander, gewinnt die mental stärkere.“ Wenn das so einfach wäre ...
Die Aussagen sind nicht nur falsch, sondern in jeder Hinsicht inkompetent. Mit Mentalcoaching und sportpsychologischer Betreuung werden falsche Schwerpunkte gesetzt, die strategisches und taktisches Versagen nicht kompensieren können.
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